Entwickeln, planen und bauen auf fremdem Boden
Die nachhaltige Wohnraumversorgung in deutschen Ballungszentren wie z. B. der Rhein-Main-Metropolregion ist eine der zentralen politischen, wohnungswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren. Steigende Baukosten erschweren vor allem den Bau kostengünstiger Wohnungen, was sich an den explodierenden Quadratmeterpreisen bei Eigentumswohnungen zeigt und folglich auch in den stark steigenden Mietzinsen widerspiegelt. Erbbaurechte könnten die Lösung sein.
Weder bei Privatleuten noch bei Investoren waren Erbbaurechte angesichts der niedrigen Zinsen in den letzten Jahren besonders nachgefragt. Städte und Gemeinden aber diskutieren wieder mehr über das Thema, denn über das Erbbaurecht kann günstiger Wohnraum geschaffen werden. Wer eine Immobilie in Erbpacht baut oder kauft, braucht weniger Eigenkapital, weil er nur den Bau finanzieren muss, aber nicht den Preis für das Grundstück. Das reduziert die Summe, die Bauherren aufbringen müssen, enorm. Außerdem sinken die Erwerbskosten, etwa für Steuer, Notar und Makler, die prozentual vom Kaufpreis berechnet werden. Dafür fallen Erbbauzinsen an, sozusagen die Miete für das Grundstück.
Während Erbbaurechte in anderen europäischen Staaten wie dem Vereinigten Königreich oder den Niederlanden intensiv genutzt werden – allein die Stadt Amsterdam ist Eigentümerin von 80% der Grundstücke –, begegnet man dem Thema in Deutschland noch immer mit sehr großer Zurückhaltung. MAINTRAUM hat sich bereits in ihren Gründungsjahren mit dem Thema Erbbaurechte auseinandergesetzt und in diesem Segment Fuß gefasst. In Frankfurt liegt der Erbbauzins derzeit zwischen 2,5 (Wohnungsbau) und 6 (Gewerbe) Prozent des Grundstückswertes. Beim Erbbauzins gibt es keine Begrenzungen nach oben oder nach unten.
Wenn das Erbbaurecht attraktiv ausgestaltet ist, kann es Investoren helfen, günstigen Wohnraum zu schaffen. Es kommt dabei auf die Konditionen des jeweiligen Erbbauvertrages an. Stimmen diese, kann das Erbbaurecht für beide Vertragspartner ein interessantes Produkt sein. Die wichtigsten Punkte sind der Erbbauzins, die Laufzeit und die Regelungen für das Vertragsende. Davon hängt auch ab, wie Finanzinstitute eine Erbbaurechtsimmobilie bewerten. Läuft der Erbbauvertrag aus, kann der Erbbaugeber die Immobilie für zwei Drittel des Verkehrswertes übernehmen oder den Vertrag verlängern. Wird ein Erbbaurecht neu bestellt, so erfolgt dies in der Regel für die Laufzeit von 99 Jahren. Aber auch der Erwerb bestehender Erbbaurechte kann interessant sein, wenn man in die bestehenden Vertragsbedingungen eintreten kann. Die Höhe des Erbbauzinses ist grundsätzlich frei verhandelbar. Städte und Gemeinden können den Erbbauzins auch nach unten anpassen und sogar auf null senken. Außerdem ist es möglich, den Erbbauzins an die Miethöhe zu koppeln. Erbbaurechte sind nicht per se gut oder schlecht. Es kommt immer darauf an, wie die Verträge gestaltet sind, der Gesetzgeber lässt hier den entsprechend großen Spielraum.
Neben der Stadt Frankfurt treten verstärkt Institutionen wie die Evangelische und die Katholische Kirche oder das St. Katharinen- und Weißfrauenstift als Erbbaurechtsgeber auf. Die Stadt will zukünftig mehr auf die Vergabe von Erbbaurechten achten, um soziale und wohnungspolitische Ziele durchzusetzen. Gemessen an den Gesamt-Grundstücken fristet das Erbbaurecht jedoch ein Schattendasein, nur etwa fünf Prozent der Grundstücke wurden als Erbbaurechte vergeben.
Wer ein Erbbaurecht erwirbt, kauft kein Grundstück, sondern das Recht, darauf ein Haus zu bauen oder zu nutzen. Das schont sein Portemonnaie, denn ein Kauf des Grundstücks käme sehr viel teurer. Als Ausgleich zahlt er dem Erbbaurechtgeber einen vorab vereinbarten Zins. Nach einer Studie aus dem Jahr 2017 beträgt der durchschnittliche Erbbauzins für Wohnimmobilien 3,1 Prozent des Bodenwertes. Viele Städte vergeben Erbbaurechte aktuell aber zu einem niedrigeren Prozentsatz. Hamburg beispielsweise senkte den Erbbauzins im vergangenen Herbst auf 1,7 Prozent. Das Erbbaurecht ist zeitlich befristet. Üblich sind Laufzeiten von 99 Jahren bei Wohngrundstücken und zwischen 30 und 99 Jahren bei gewerblich genutzten Grundstücken. Gesetzliche Vorgaben gibt es nicht. Während der Laufzeit können Erbbaurechtgeber und Erbbaurechtnehmer ihre vertraglichen Rechte verkaufen, beleihen oder auch im Wege der Schenkung oder Erbschaft auf andere übertragen.
Wird das Erbbaurecht nicht verlängert, fällt das Grundstück an den Erbbaurechtgeber zurück. Hierbei spricht man vom sogenannten „Heimfall“. Für das möglicherweise darauf stehende Gebäude muss er dem Erbbaurechtnehmer eine Entschädigung zahlen. Deren Höhe ist bei gewerblich genutzten Bauwerken frei verhandelbar. Bei Wohngebäuden beträgt sie üblicherweise mindestens zwei Drittel des aktuellen Verkehrswerts.
Der Erbbaurechtnehmer spart Liquidität, denn beim konventionellen Erwerb eines Hauses, also Gebäude mit Grund - kann der im Preis enthaltene Grundstücksanteil leicht ein Viertel und mehr ausmachen. Je nach Gestaltung des Erbbaurechtsvertrages machen Banken jedoch mehr oder weniger hohe Abschläge beim Beleihungswert, was die Finanzierung des Gebäudes möglicherweise teurer macht. Wenn aber der Vertrag noch lange läuft oder gute Verlängerungsmöglichkeiten bestehen, bewertet die Bank ein Erbbaurecht fast so wie Real-Eigentum. Dann erhalten Erbbaurechtsnehmer die gleichen Konditionen wie jeder andere. Der Gebäudeeigentümer trägt nicht nur die Instandhaltungskosten, sondern auch sämtliche einmaligen Lasten wie die Grunderwerbsteuer, die Erschließungskosten sowie alle wiederkehrenden öffentlichen und privatrechtlichen Kosten. Besonders wichtig für Erbbaurechtsnehmer ist, dass der Erbbauzins analog Fremdzinsen steuerlich als Aufwand absetzbar ist.
In der aktuellen Niedrigzinsphase sind Erbbaurechte für Investoren nicht immer attraktiv. Es braucht auch einen niedrigeren Erbbauzins sowie eine verringerte steuerliche Bemessungsgrundlage. In Frankfurt ist der Erbbauzins an die aktuellen Bodenrichtwerte gekoppelt, die seit Jahren in die Höhe schnellen. Je nach Gestaltung der Verträge könnten Erbbaurechte jedoch durchaus einen Beitrag für bezahlbaren Wohnraum leisten, wenn das Erbbaurecht dem Real-Eigentum möglichst nahekommt.
Das Immobilienberatungsunternehmen JLL hat in den Jahren 2016 bis 2020 zahlreiche gewerbliche Immobilientransaktionen in Frankfurt analysiert und festgestellt, dass dabei ein Anteil von ca. 5% Immobilien im Erbbaurecht betrafen. Die Käufer waren dabei überwiegend Investoren aus dem Ausland, vor allem aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Niederlanden. Dies lässt sich vor allem damit begründen, dass diese Investoren in ihren Heimatländern mit Erbbaurechten vertraut sind. Dagegen herrscht bei manchen deutschen Investoren immer noch Skepsis gegenüber Immobilienengagements, bei denen sich nicht auch Eigentum am Grundstück erwerben lässt.